Die Mönche von St. Salomé und die zwei Hunde

In der Umgebung des Klosters lebte einmal ganz für sich eine arme Witwe am Rande des Waldes in einer Hütte. In einer stürmischen und regnerischen Nacht fand ein Reisender bei ihr Zuflucht, der im Dunkeln vom Weg abgekommen war. Zum Dank machte er ihr am Morgen ein ungewöhnliches Geschenk: Zwei Welpen, die seine Wachhündin auf der langen Reise zur Welt gebracht hatte, und die ihm seither nur zur Last fielen. Die Frau zögerte, denn sie war zwar nicht am Verhungern, und ihre Mittel und ihre Zeit würden wohl ausreichen, um eines der Tiere aufzuziehen – aber deren zwei? Der Mann jedoch, schon halb zur Tür hinaus, ließ nicht mit sich verhandeln: »Wenn du nur ein Junges willst, dann ertränke doch das andere – oder meinetwegen beide. Mir ist es gleich.«

Da entschloss sich die Frau, es mit den beiden Welpen zu versuchen. Denn weder konnte sie gut ahnen, welcher von beiden kräftiger, artiger oder nützlicher sein würde, noch brachte sie es so leicht übers Herz, überhaupt eines der Tiere zu töten. Und einfach fortjagen, um woanders sein Glück zu finden, ließ sich weder der eine, noch der andere.

Als die zwei Hunde heranwuchsen, stellte sich heraus, dass sie sich durchaus voneinander unterschieden. Der eine hatte ein schwarzes Fell, war sanft und folgsam, aber dabei auch ein wenig träge. Der andere war bunt gescheckt, launisch, hatte scharfe Sinne und war ständig in Bewegung. Ebenso zeigte sich, was die Witwe befürchtet hatte: Je größer die Hunde wurden, desto mehr mangelte es ihnen an Futter und Fürsorge, denn die Frau musste viel arbeiten und war dennoch arm. Immer wieder bot sie daher den Mönchen, Nachbarn und fahrenden Kaufleuten eines der Tiere an, doch vergebens. Einen wohlgenährten, gut erzogenen Hund hätte sie wohl sogar zu Geld machen können, aber an unnützen Essern herrschte im ganzen Land kein Mangel.

Einmal gab ihr der Schäfer des Klosters zumindest einen guten Rat. Er zeigte auf den schwarzen Hund und sagte: »Wenn du den ordentlich heraus fütterst und mit ihm jeden Tag übst so lange du nur kannst, dann kann das ein prächtiger Hütehund werden!« Die Frau bedankte sich, und sah auch wohl, dass der Schäfer recht hatte. Und doch brachte sie es nicht über sich, den anderen Hund aufzugeben, um aus diesem etwas zu machen. Ein anderes mal machte der Wildhüter des Abtes einen ganz ähnlichen Vorschlag. Er spielte ein wenig mit dem scheckigen Hund und meinte: »Wenn du den ein Jahr lang ordentlich erziehst und ihm kräftig zu fressen gibst, dann wird er der feinste Jagdhund im ganzen Tal!« Und auch seinen Ratschlag nahm die Frau zwar entgegen, konnte sich aber von dem einen Hund genauso wenig trennen wie von dem anderen. Im übrigen waren auch die zwei Hunde unzertrennlich, und unerzogen wie sie waren, sah man sie oft gemeinsam die Gegend durchstreifen.

Wenige Jahre später waren die beiden Hunde ausgewachsen, beide eher drahtig als wohlgenährt und beide recht freundlich, auch wenn der eine noch immer ein wenig langsam, der andere ein wenig verspielt war. Da rief man eines Tages ganz aufgeregt die Witwe zum Klosterteich. Ein Kind aus dem Dorf war unbemerkt hineingefallen und wäre fast ertrunken, doch der scheckige Hund hatte es gerade noch entdeckt, war hineingesprungen und hatte es so lange über Wasser gehalten, bis der schwarze Hund endlich mit seinem ausdauernden Bellen Hilfe herbeigeholt hatte. Von diesem Tag an gab niemand mehr der Frau Ratschläge, was ihre Hunde anging.

Werbung
Dieser Beitrag wurde unter Erzählungen veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..